Germany - The Huffington Post: Über das Recht auf einen würdigen Tod

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Über das Recht auf einen würdigen Tod
Nov 18th 2014, 18:25, by Dr. med. Ulrich Bonk

Begrenzt ist das Leben, doch unendlich ist die Erinnerung.


Dieses bekannte Grundwissen hilft den geschulten ehrenamtlichen Hospizbegleitern, um in ein behutsames Gespräch zu kommen bei der Betreuung der zunehmenden Zahl allein lebender Schwerstkranker und Sterbender.

Unsere Generation erinnert sich mit Dankbarkeit an die Pioniere der deutschen bürgerlichen Hospizbewegung der achtziger und neunziger Jahre. Sie hinterließen uns ihre Erfahrungen, Tatkraft und die Botschaft, wie wir für ein erfülltes Leben aller sorgen.

Es gibt auch heute keine staatlich verordnete Leitlinie für ein gutes Leben und Sterben. Jeder ist Suchender - einschließlich der Bundeskanzlerin mit ihrem Zukunftsdialog - im existierenden Wertepluralismus.

Emotionale Unterstützung für "austherapierte" Patienten

Die Frauen und Männer der achtziger Jahre verwirklichten den Hospizgedanken mit engagierten Ärzten für eine ganzheitliche palliative Versorgung von „austherapierten" Patienten. Gleichzeitig legten sie schon damals Gewicht auf die Fürsorge und Wertschätzung für jeden Mitmenschen und nicht erst oder ausschließlich in der Sterbephase.

Einer der großen Philosophen des vorigen Jahrhunderts, Emmanuel Lévinas, der als jüdischer Gelehrter und Emigrant die Geschichte des Ahasver mit seinem Lebens- und Leidensweg mehr als verkörperte, spricht von den fundamentalen menschlichen Existenzweisen, die der hospizlichen Haltung entsprechen: „Die Sorge um den Anderen siegt über die Sorge um sich selbst." Lévinas verstand unter diesem Altruismus das „Primäre des Menschen."

Sterbehilfe ist keine rein politische Frage, sondern eine menschliche

Die aktuelle politische Diskussion um das Sterben wird dem Hospizgedanken nicht gerecht. Es geht fast ausschließlich um das Straf- oder Zivilrecht. Befürworter und Gegner einer Liberalisierung der Sterbehilfe und aktuell des ärztlich assistierten Suizids begründen ihre Position mit §1 des Grundgesetzes (Würde) und die Befürworter mit Absatz 1 von §2 (Entfaltung der Persönlichkeit) und die Gegner mit Absatz 2 (Unversehrtheit).

Als Kritiker an dieser Debatte vermisse ich die Würde während der gesamten Lebenszeit. Unter welchen Umständen verbringen die Menschen ihr Leben? Hat jeder Bürger Zugang zu einer angemessenen Betreuung und Versorgung?

Berichtet wird vom Sinneswandel von Menschen mit Suizidwunsch nach mehrfachen intensiven Gesprächen mit Ärzten der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin in den angenehm gestalteten Räumen der stationären Hospize oder der Palliativstationen. Allein die Kommunikation und ohne Frage die aufwendige Fürsorge, die sich ausschließlich nach den Bedürfnissen der „Gäste" richtet, bewirken dies.

Leider kann nur jeder Fünfte in Deutschland so betreut Abschied von uns nehmen. Die Widerstände der Kassen kommen hinzu. Der Umzug aus dem Pflegeheim ins Hospiz ist unerwünscht.

Wer sterben will, leidet in Deutschland an unzumutbaren Lebensbedingungen. Jede Pflegekraft im ambulanten oder stationären Bereich kennt die Situation. So möchten die Betroffenen nicht weiterleben.

Systembedingte Misstände

Es sind systembedingte Missstände, hervorgerufen durch zu wenig und schlecht ausgebildetes Personal. Der Gesetzgeber hat Schutzpflichten gegenüber den Bewohnern der Heime vernachlässigt, so werden anhängige Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe begründet.

Gute Pflege und zeitgemäße palliativmedizinische Versorgung sind teuer. Die extremen Kosten einer letztlich palliativmedizinischen Betreuung allein bei der Infektionskrankheit Ebola deuten an, welche Herausforderungen vor der Gesellschaft und den Krankenkassen stehen können bei einer ganzheitlichen fachgerechten physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Versorgung - wie es die internationalen Fachgesellschaften vorgeben.

Dankenswerter Weise enthält der Koalitionsvertrag im Kapitel Pflege die Worte Sterben in Würde und Förderung der Hospize/ Palliativmedizin, so dass die Diskussion um Pflege und Sterben miteinander verknüpft werden kann. Sterbende Menschen brauchen so viel Fürsorge wie Säuglinge.

Fürsorge ist ein Menschenrecht

Keiner der Gruppenanträge der Bundestagsabgeordneten geht auf diese erschütternde Korrelation und die Kausalität beim Wunsch zum Sterben ein. Die Würde, Unversehrtheit und die Selbstbestimmung haben die Väter des Grundgesetzes als die wichtigsten Gebote an den Anfang gestellt. Die Fürsorge gilt für das ganze Leben. Es ist ein Menschenrecht. Die Würde des Menschen ist kein Automatismus.

Sie muss im menschlichen Zusammenleben gestärkt, gefördert, stets erneuert und weitergetragen werden. Sie muss gelebt und so auch für Kinder und Jugendliche emotional fassbar werden. Es ist eine Aufgabe der Gesellschaft die Wertschätzung für jeden Menschen erfahrbar zu machen.

"Hospiz macht Schule"

Die Mitglieder der deutschen Hospizvereine starteten vor zehn Jahren das Projekt „Hospiz macht Schule." Mit Kindern und Jugendlichen zu Fragen des Lebens ins Gespräch zu kommen ist eine Investition in die Zukunft. Nach anfänglicher Zurückhaltung von Lehrern und Eltern in Sorge um Überforderung ihrer Schutzbefohlenen erleben wir heute begeisterte Pädagogen und dankbare Eltern.

Zu danken haben wir den Pionieren auf diesem Gebiet den Damen Gerda Graf und Bettina Hagedorn von der Hospizbewegung Düren-Jülich und Herren Dirk Blümke von den Maltesern in Köln und Dr. Dr. Erich Rösch vom Bayerischen Hospizverband für ihr langjähriges Wirken und für die Verankerung dieses Projektes in die Nationale Strategie der Charta für die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen.

Die heutigen Schulen sind zum Lebens- und Sozialraum für Kinder und Jugendliche geworden. Für uns die ideale Bedingung für eine Entwicklung der hospizlichen Sorge- und der alltäglichen Lebenskultur. Es ist die soziale Gruppenbildung, die wir mit der Schulklasse haben - und unter diesen Bedingungen kommt die kooperative Vermittlung der Hospizkultur hinzu - die eine andere neue Haltung bei den Kindern bewirkt und ausstrahlt in die Gesellschaft.

Die Fragen von Patienten oder Angehörigen am Lebensende können heute schon in einem ethischen Konzil mit einer Empfehlung beantwortet werden. Die Philosophen und Ethiker bedauern, dass es keine gesetzlichen Grundlagen, sondern „nur" Entscheidungen von Gerichten zum Sterben zulassen (früher passive Sterbehilfe) und zur palliativen Sedierung (früher indirekte Sterbehilfe) gibt, auf die sich alle beziehen. Wir haben dadurch eine liberale Rechtslage und der assistierte Suizid ist nicht verboten.

Sollte Suizid erlaubt werden?

Ethische Angriffspunkte der personalen Autonomie beim Suizid sind u. a. die Rationalität, die Reichweite einer unmoralischen Handlung und der Respekt vor einer autonomen Entscheidung. Das ärztliche Standesrecht ist unabhängig hiervon föderal geregelt wie auch in anderen Ländern (z. B. Kantone der Schweiz, Staaten der USA).

Der einzelne Bundestagsabgeordnete geht mit seiner Entscheidung zu diesen Fragen das Risiko ein, Wählerstimmen zu verlieren oder auch welche zu gewinnen abgesehen von Konflikten gegenüber Parteifreunden. Um jeder Hypokrisie und verständlicher Überforderung aus dem Weg zu gehen, wäre ein Volksentscheid wie in der Schweiz 1941 in Erwägung zu ziehen.

Mit dieser wenigstens partiellen Selbstermächtigung der Bürger zur direkten Demokratie könnte die generelle Wahlbeteiligung nur gewinnen. Die beste Prävention für ein gutes Sterben heißt, dass die Abgeordneten jede Initiative für eine Verbesserung der Pflege vor allem anderen unterstützen.





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